Ein Freund meint beim Kaffee: „Hast du dich für die nächste Polarexpedition angemeldet?“ Ich muss schmunzeln. Meine Füße stehen auf einer Wärmflasche, ich habe einen dicken Pulli und einen Schal an. Ich versuche eben, die Heizung nur selten anzuschalten. Humor ist da nicht verkehrt, das macht warm.
Ansonsten ist die Lage wahrlich nicht lustig, sondern sehr beklemmend. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine dauert nun schon fast auf den Tag 8 Monate. Täglich sterben dort Menschen. Ständig gibt es neue Eskalationsstufen. Ich merke, wie ich mich irgendwie an diesen Zustand gewöhnt habe und erschrecke darüber. Doch seitdem mir oft kalt ist, ist das anders. Daran gewöhne ich mich nicht.
Die kälteren Temperaturen und die Wärmflasche unter meinen Füßen machen mir nachdrücklich bewusst: es gibt ein Problem. Die Energiekrise betrifft mich ganz persönlich. Mir ist kalt und die Kosten für Energie und überhaupt die Preise gehen durch die Decke. Ich mache mir Sorgen darüber, wie die nächsten Gasrechnungen ausfallen werden und wie sich die Lage insgesamt entwickelt.
Durch die Energiekrise und die Inflation bin ich ganz persönlich betroffen vom Krieg. Und das erklärt meine Sorgen und Ängste. Die Frage ist nur: Was mache ich damit? Ich finde die Worte des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck hilfreich: „Man kann Ängste nicht wegzaubern, aber man kann sie zähmen. Und man kann sowas wie Mut und Entschlossenheit fassen.“ (Joachim Gauck im Interview mit dem ZDF Heute Journal am 02.10.2022) Ich denke, es braucht auch Mut und Entschlossenheit dem Kriegskalkül eines Diktators nicht auf den Leim zu gehen. Denn natürlich setzt Putin darauf, dass Menschen einknicken, wenn ihnen erst einmal kalt ist, wenn es unbequem und es finanziell existentiell wird.
Aber Einknicken ist keine Option. Denn die Menschen, die in der Ukraine kämpfen und auch sterben, tun dies, um ihr Land, aber auch eine freiheitliche demokratische Lebensform zu verteidigen. Und damit eine Lebensform, in der auch ich lebe und weiterhin leben will. Und daher braucht es aktuell Mut und Entschlossenheit – ganz egal wie sehr mir die Pandemie noch in den Knochen steckt. Ich bin überzeugt, dass das zu schaffen ist, denn – mir machen die folgenden Worte aus der Bibel Mut: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2 Tim 1,7)
Es gibt viele Gnadengaben, aber nur einen Geist, so heißt es in der Bibel. Dennoch sind gerade einige Gaben auf Gottes Geist zurückzuführen. Denn der Heilige Geist soll uns Stärke, Zuversicht, Einsicht und noch vieles mehr verleihen. So verstehen wir heute das Sakrament der Firmung als eine Stärkung für das weitere Leben.
Gleichzeitig ist die Feier der Firmung aber auch das dritte Initiationssakrament - mit ihr gilt man in der katholischen Kirche als vollwertiges ”Mitglied. So ist die Firmung eben auch eine bewusste Entscheidung darüber, ob ich mein Leben weiterhin gemeinsam mit Gott gehen möchte oder nicht.
In diesem Sinne geschieht die Bestärkung, die mit der Firmung zum Tragen kommt, in einem wechselseitigen Verhältnis. Die Firmlinge bekommen durch die Firmspendung nicht nur die Zusage Gottes, sie selbst bekennen sich in diesem Moment auch zu Gott und einem Leben aus dem Glauben.
Glaube funktioniert nicht alleine, es braucht Beziehungen. Beziehung zwischen Gott und den Menschen und den Menschen untereinander, nur so wird die Bestärkung, mit der man durchs Leben gehen soll sichtbar und erfahrbar.
Allen Neugefirmten wünschen wir, dass sie diese Bestärkung in ihrem Leben immer wieder neu spüren und erkennen können.
Im Basketball, auch im Handball gibt es die „Auszeit“. Für eine Minute darf das laufende Spiel unterbrochen werden. Wenn eine Mannschaft zurückliegt oder unter Druck gerät, ist das „Time-Out“ eine Chance, sich neu zu formieren, die eigenen Stärken zu spüren und dann kraftvoll neu ins Spiel zu gehen.
Längst ist der Begriff in die touristische Werbung gewandert: Eine „Auszeit“ verspricht, dem Alltag mit seinen Pflichten, Vorgaben und Zeitrastern zu entkommen, ein Wochenende oder eine Woche lang vielleicht in den Bergen, an der See, in der Natur. Auftanken. Durchatmen. Aus der Zeit fallen. Auch die Bibel markiert Ruhezeiten, prägt und fordert sie sogar: Nach der Schöpfung segnete Gott „den siebten Tag und heiligte ihn, denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.“ (Genesis 2,3).
Seither ist im Judentum der Sabbat und im Christentum der Sonntag ein geheiligter Ruhetag. Während des jüdischen Passahfestes, des Wochenfestes und insbesondere des Laubhüttenfestes ist Zeit für anderes. Freude darf sein in und am Leben, und zwar für alle: Du sollst an deinem Fest fröhlich sein, du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, die Leviten und die Fremden, die Waise und die Witwe, die in deinen Stadtbereichen wohnen.“ (Dtn 16,14).
Und darin liegt ein Impuls: Ein wirkliches „Time-out“ ist eine Fiktion: Zeit lässt sich nicht anhalten, und keine Pause ist Stillstand. Die Zeit läuft immer. Aber wie und womit und mit wem man sie füllt, das lässt sich zuweilen entscheiden. Auch Jesus suchte oft Zeiten des Alleinseins, „um für sich zu sein und zu beten.“ (Matthäus 14,23)
Solche Zeit ist gefüllt, intensiv. Und sie ist anders. Etwas ist tatsächlich „aus“ in der Ruhe. Diese Zeit ist einfach da, um sie zu haben: Geschenkte Zeit. Für uns selbst. Für die, die uns guttun. Für das, was gefällt. Für die Freiheit, etwas zu lassen oder auch zu tun: „Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht“ (Markus 2,27), betont Jesus gegenüber denen, die selbst aus der Ruhezeit eine Pflichtübung machen wollen.
Nichts ist einfacher, nichts wertvoller, als Zeit einfach zu haben. Und: Zu viel des Guten kann wunderbar sein (Mae West). Machen wir es wie Gott: Probieren wir es. Aus.
„Herr, es ist Zeit, der Sommer war sehr groß“ – jetzt ist eine gute Zeit, das wunderschöne Gedicht von Rilke zu meditieren. In seinen Zeilen schwingt durchaus Wehmut mit, die Erinnerung an heiße Sommertage, an laue Abende, an alles, was einen Sommer groß gemacht hat. Zugleich erscheint es dem Dichter jedoch auch stimmig, dass der Sommer zu Ende geht, die Zeit erfüllt ist. Der Blick kann sich nach vorne richten, auf den Herbst. Selbst Gott hat nach Ansicht Rilkes nur noch Weniges zu tun: „Befiehl den letzten Früchten voll zu sein, gib ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein“. Dann wird der Sommer endgültig vorbei sein. An Rilkes Gedicht gefällt mir, dass der Übergang der Jahreszeiten so bewusst wahrgenommen und beschrieben wird. In der Tat scheint es mir, als ob in den letzten Sommertagen die Luft am Morgen schon ein wenig nach Herbst schmeckt, nach reifen Pfirsichen und Trauben. An diesen letzten Tagen im August möchte ich daran denken, was gerade in meinem Leben seine Sommerzeit vollendet und sich auf den Herbst vorbereitet. Vielleicht bin ich ein wenig traurig darüber, dass diese Tage nun vorbei gehen oder sogar schon vergangen sind. Zugleich kann ich spüren, dass etwas seine Zeit hatte und es nun gut ist. Ich kann eine Lebensphase ausklingen lassen und die Früchte meiner Arbeit genießen. Mag sein, dieser Herbst wird mir nachdenkliche Stunden bereiten, in denen ich wache, lese und lange Briefe schreibe, spazieren gehe und die Blätter um mich treiben lasse.
Rilkes Gedicht ist ein Gebet: „Herr, es ist Zeit! Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren und auf den Fluren lass die Winde los.“ Der Dichter legt die Jahreszeiten seines Lebens in die Hand Gottes. Und ich spüre, dass mir diese Haltung auch gut tut: Sommer, Herbst, Winter und Frühling meines Lebens aus Gottes Hand zu nehmen und ihm auch wieder zurück zu geben. Doch auch, wer keinen Gottesbezug in den Jahreszeiten seines Lebens wahrnehmen kann oder will, kann spüren: Es kann im Leben nicht immer Sommer sein, es ist sinnvoll, dass das Leben so abwechslungsreich ist wie die Jahreszeiten. Ein ständiger Sommer wäre unsäglich langweilig. Ich bin jedenfalls neugierig darauf, was nun kommen mag, bin gespannt auf das, was Gott mit mir vorhat. Und bete, mit Rilkes Worten: „HERR, es ist Zeit.“
von Angela Rinn, Mainz, Evangelische Kirche
„Meide das Böse und tue das Gute, suche den Frieden und jage ihm nach.“ Diese Handlungsanweisung aus der Bibel ist für mich ein starkes Programm. Meide das Böse - konsequent und wachsam. Dann die Steigerung: Tue das Gute – kraftvoll und kompetent. Und schließlich der Gipfel: Suche den Frieden und jage ihm nach. Wenn die Bibel von Frieden spricht, dann meint sie keinen bloßen Waffenstillstand oder Gewaltverzicht. Friede in der Bibel – das ist Freiheit und Gerechtigkeit, Solidarität und Sicherheit, Vergebung und Versöhnung zwischen Gott und den Menschen und der Menschen untereinander. Und diesen Frieden soll ich aktiv suchen und ihm hinterherjagen. Anscheinend liegt er nicht offen zu tage. Er ist eher verborgen, vielleicht verdeckt und versteckt. Ich muss vielleicht erst anderes zur Seite räumen, bevor ich ihn finden kann: Vorurteile und Ängste, Hass und Ablehnung und vieles mehr. Deshalb heißt es: Suche den Frieden, lass dich nicht entmutigen, wenn du ihn nicht auf den ersten Blick entdeckst. Er ist gewiss da, aber du musst ihn finden.
Zugleich ist der Frieden nicht nur verborgen, er ist offensichtlich auch scheu und flüchtig: Suche den Frieden und jage ihm nach. Nachjagen – das heißt auf der Spur bleiben, nicht nachlassen, nicht aufgeben – bis der Frieden erreicht ist. Dabei steht für die Bibel außer Zweifel: Friede ist möglich. Auch wenn er Anstrengung kostet.
Mich ermutigt diese Sicht der Bibel auf den Frieden. Sie ist nicht naiv, sondern realistisch. Sie kennt die Mühen, die das Suchen nach dem Frieden macht. Sie kennt die Ausdauer, die ich für die Jagd nach dem Frieden brauche. Die Bibel ist aber auch nicht pessimistisch. Sie resigniert nicht bei der Suche nach dem Frieden. Sie ermuntert vielmehr, dem Frieden so konsequent nachzustellen wie ein unermüdlicher Jäger. Denn bei aller Suche und Jagd ist der echte Friede für die Bibel nicht nur Menschenwerk: Er ist Gottes Geschenk - für uns.
Gott selbst will den Frieden. Deshalb ist es aussichtsreich, den Frieden zu suchen und ihm nachzujagen - auch bei widrigen, auch bei kriegerischen Umständen. Suchen wir den Frieden - und jagen wir ihm nach.
Mario Junglas, Mainz, Katholische Kirche
„Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ so sagen wir, wenn eine Sache, ein Projekt, eine Erfahrung aussichtslos erscheinen und wir darauf setzen, dass ein Wunder geschehen möge, das alles zum Guten wendet. Bei aller Ungewissheit ist nur eines dabei gewiss: die tiefe Sehnsucht nach Leben, die daraus spricht.
„Da ist keine Hoffnung mehr!“ auch so sagen wir, wenn wirklich ein Endpunkt erreicht ist: kein Ausweg mehr zu entdecken, Pläne zunichte, Lebenswege abgeschnitten, wie dies zurzeit viele Menschen erleben in der Ukraine und anderswo.
„Da ist keine Hoffnung mehr!“ – so dachten alle nach Jesu Tod am Kreuz. Sie hatten drei Jahre lang ihre Lebenswege mit dem seinen verknüpft. Er war eingestanden für unbedingte Liebe und Frieden; er wollte Recht und Gerechtigkeit für alle; das nannte er Reich Gottes. Das war sein Leben. Er suchte den Tod am Kreuz nicht! Er nahm ihn in Kauf. Was er lebte, erschien verrückt; aber das war es nicht. Seine verrückte Hoffnung war eine, die gerade sehr vielen half, nicht verrückt zu werden. Er ermutigte und heilte – im Namen seines Gottes, wo er nur konnte. Er räumte auf im Tempel, dem Machtzentrum in Jerusalem. All das führte zum tödlichen Konflikt. Und der führte in total finstere Nacht, die keinen Stern mehr kennt, der eine Wegrichtung angibt. Ihre Hoffnung sahen sie mitgekreuzigt: aus und vorbei für alle Träume. Der große Stein vor dem Grab: ein Schlusspunkt unter alles, eine Abschottung des Schmerzes, ein Versuch, die Depression niederzudrücken. Da war wirklich keine Hoffnung mehr.
Es sollte anders kommen, als sie erwarteten: Der Stein – auf einmal weggewälzt; das Grab – geöffnet und leer. Die Nachricht – umwerfend: „Was sucht Ihr den Lebenden beiden Toten? – Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.“ (Lukas 24,5-6).
Da begann etwas in ihnen, den Jesus, den sie kannten und begraben hatten, mit anderen Augen anzusehen. Was immer da geschehen war, was immer ihre Erfahrung war, dass er lebt. Dieses neue Sehen, diesen neuen Blick auf Jesus nannten sie „Auferstehung“. Er war ein anderer geworden: von einem Verhaltensauffälligen mit einem unerschütterlichen Gottvertrauen zu einem untrüglichen Zeichen der Treue Gottes zu uns Menschen, zum Christus Jesus. An ihm zeigte sich das ganze Ausmaß von Unrecht und Gewalt. Und gleichzeitig Gottes Liebe und sein Wille zu Gerechtigkeit und wirklichem Leben für alle.
So kann ich das denkend glauben und glaubend denken. Dieser Gott, auf den Jesus gesetzt hatte, verkriecht und versteckt sich nicht. Er ist an den dunkelsten Stellen der Erste, in allen Katastrophen bei den Opfern gegenwärtig, präsent, da, mit uns auf dem Weg. Das ist kostbarer Trost und Zuspruch. Mehr geht nicht! Deshalb traue ich mich, an Ostern zu sagen: „Die Hoffnung stirbt nicht mehr!“
Idee: Klaus Hagedorn
Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben gesegnete Ostern
Dag Hammarskjöld, der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat einmal einen Satz gesagt, dem ich immer wieder zustimmen kann. Er passt wunderbar an den Beginn des neuen Jahres. Der Satz heißt: „Dem Vergangenen: Dank, dem Kommenden: Ja!" Das klingt optimistisch! Dabei hatte es Hammarskjöld während seiner Amtszeit in den 60er Jahren nicht leicht. Es war die Zeit des Kalten Krieges. Und doch hat der schwedische Friedens-Nobelpreisträger diesen Satz immer wieder in seinen Aufzeichnungen notiert – gerade auch zum Jahreswechsel.
Dem Vergangenen Dank? Das finde ich gar nicht so einfach nach dem Jahr 2021. Da gibt es eine ganze Menge Bilder, die sich in mir eingegraben haben: die überfüllten Intensivstationen der Krankenhäuser, Menschen an Grenzzäunen zu Europa, die Wasserfluten im Ahrtal. Und auch wer um seinen Job kämpfen musste, krank geworden ist oder einen lieben Menschen verloren hat, wird jetzt sicher zögern. Das Schwere prägt sich gern tiefer ein als das Leichte. Aber: es ist auch da. Und es lohnt sich, es immer wieder genau zu betrachten.
In den Trümmern im Ahrtal hat ein erschöpfter Mann im Kampf gegen die Schlammmassen etwas aufblitzen sehen. Er hat im stinkenden Graubraun etwas so Wertvolles gefunden: seinen Ehering. Dieses kleine Wunder hat ihn unsagbar glücklich und dankbar gemacht. Und überhaupt stand den Flutwellen eine ganz andere Welle gegenüber: selten hat es eine solche Woge der Hilfsbereitschaft gegeben.
Dem Vergangenen Dank! Ja – das ist möglich, auch wenn ich manchmal schon sehr genau hinschauen muss. Aber mit dieser Erfahrung im Gepäck ist vielleicht auch die Kraft da, zu allem Kommenden „Ja“ zu sagen. Ob es klappt, weiß ich noch nicht. Aber ich möchte es versuchen und die stärkenden Momente vom Schweren nicht zudecken lassen. Was mir dabei hilft, ist mein Glaube an Gott, der sagt: ich bin da. Immer. Egal, was kommen wird.
Ein Gebet des Priesters Paul Weismantel bringt dieses Versprechen Gottes ganz wunderbar ins Wort:
In das Dunkel deiner Vergangenheit und in das Ungewisse deiner Zukunft,
in den Segen deines Helfens und in das Elend deiner Ohnmacht
lege ich meine Zusage: Ich bin da.
In die Lichtblicke deiner Hoffnung und in die Schatten deiner Angst
in das Sehnen deiner Seele und in die Fragen deines Lebens
lege ich meine Zusage: Ich bin da.
(Gedanken von Judith Schmitt-Helfferich, Heidelberg)
Ihnen und allen, die Ihnen am Herzen liegen, wünschen wir ein zuversichtliches und gesegnetes neues Jahr.
Es ist schon wieder ein eigenartiges Weihnachten. Auch in diesem Jahr. Die Vorfreude auf das Fest vermischt sich bei so vielen wieder mit düsteren Gedanken und mit Sorge. Um ihre wirtschaftliche Existenz. Um liebe Angehörige, und auch um die eigene Gesundheit. Und in diese bedrückende Situation hinein hören die Besucherinnen und Besucher der Weihnachtsgottesdienste auch noch so einen Satz aus der Bibel: Fürchtet euch nicht. Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, Christus der Herr. Kann mir das Hoffnung geben, auch heute in meinem Leben?
Ich weiß aber auch: Mein Glaube, das Christentum, ist keine Wohlfühlreligion. Kein Wellnessprogramm, bei dem alle immer happy und total gut drauf sein müssen. Das macht schon das Bild des Gekreuzigten klar, das mir in jeder christlichen Kirche, die ich betrete, sofort ins Auge fällt. Nein, mein Glaube kennt persönliche Lebenskrisen, Krankheit und auch die Momente, in denen ich untröstlich bin. Zum Beispiel, weil ich am Grab eines geliebten Menschen stehe. Der Glaube blendet die Abgründe nicht aus, in die ich geraten kann. Und genau darum kann er mich tragen. Ich muss die dunklen Tage nicht leugnen. Sie gehören zu meinem Leben. Und ich muss sie weder durch aufgesetzten Frohsinn noch durch fromme Sprüche zukleistern. Aber mein Glaube bleibt bei den Abgründen nicht stehen. Und darum gilt auch an diesem Weihnachtsfest, trotz oder gerade wegen Corona, was schon der berühmte Theologe Karl Rahner vor Jahren geschrieben hat:
Wenn wir sagen: Es ist Weihnachten, dass sagen wir: Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hineingesagt, ein Wort, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil es Gottes endgültige Tat, weil es Gott selbst in der Welt ist. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch. Das ist ein unerwartetes, ein ganz unwahrscheinliches Wort. Denn wie kann man dieses Wort sagen, wenn man den Menschen und die Welt und beider grauenvolle und leere Abgründe kennt. Gott aber kennt sie besser als wir. Und er hat dieses Wort doch gesagt.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben ein gesegnetes Weihnachtsfest, Gesundheit und alles Gute für das neue Jahr 2022!